Kulturpflanzen Südaventuriens
Im Küstenbereich, entlang von Flussläufen und im Schatten von Gebirgen, an deren Hängen sich der Regen segensreich entlädt, ist Südaventurien sehr fruchtbar, und manche Ernte kann zweimal im Jahr eingefahren werden.
Getreide Südaventuriens
Manche Botaniker halten Mais für Gras, andere für Getreide, bisweilen heißt es, er stamme aus dem Güldenland, dann wieder, er komme von den Waldinseln oder sogar aus Uthuria. Im Süden wird er auf großen Feldern angebaut, wo er schnell bis zu zweieinhalb Schritt in die Höhe schießt und spannlange Kolben bildet, die aus gelben, selten auch aus roten oder blauen Körnern bestehen. Frisch sind die Körner saftig wie Erbsen und werden als Gemüse gegessen. Waldmenschen nennen Mais Kukuru, trocknen die Kolben und mahlen aus den harten Maiskörnern Mehl, aus dem sie Grütze kochen oder Brot backen. In den Vollmondnächten kurz vor der Ernte meiden Bauern ihre Maisfelder. Es heißt, wer sich dann hineinwage, würde Opfer der Kukreo, einer Sorte übelmeinender Wesen, die in den Halmen leben und sich nur bei Vollmond davon lösen – ein Motiv vieler aventurischer Sagen und Legenden, sei dies bei profanem Dinkel oder dem astral affinen Kairan. Kukreo gelten dabei als ausgesprochen feindlich. Sie treten stets in Gruppen auf und erscheinen als dürre, zwei Schritt hohe Gestalten mit unverhältnismäßig langen Gliedmaßen, aber einem kurzen Rumpf sowie einem winzigen, verschrumpelten Kopf. Bisweilen heißt es auch, sie hätten gar keinen Kopf, weswegen sie ihren Opfern mit Vorliebe die ihrigen abreißen und dann als Ersatz benutzen würden. Ihr Begehr ist unterdessen ein Mysterium, das es noch zu lüften gilt.
Wo gemäßigte Temperaturen vorherrschen, wird auch in Südaventurien Gerste angebaut. Die kleinen büschligen Ähren der Hirse werden von den Zyklopeninseln bis zu den Oasen der Khôm angebaut. Sie zeichnet sich durch ihre hohe Trockenheitstoleranz, sowie eine kurze Wachstumsdauer aus und wird sogar von umherziehenden Personen, zum Beispiel Novadis, während des Frühjahrslagers angebaut. Aus Hirsemehl wird zusammen mit Weizenmehl Brot gebacken. In vielen Städten ist ein aus den Körnern gekochter Brei die Hauptnahrung der Armen. Die Novadis hingegen stellen Hirsegries her, den sie mit Kräutern in einem Korb über ihren Schmorgerichten dämpfen. Schon seit Urzeiten wird zudem am südlichen Perlenmeer Reis angebaut.
Obst & Gemüse Südaventuriens
Gurken sprießen im Süden besonders üppig und werden sowohl für den eigenen, als auch für den regionalen Bedarf gezüchtet. Die schlanken Früchte mit der dunkelgrünen Haut bestehen zu einem Großteil aus Wasser, weswegen sie zur Haltbarmachung in Sole oder Sauersud eingelegt werden. Fässer voller Essig— und Salzgurken werden bis nach Nordaventurien gehandelt, wo der Gurkenanbau nur lokale Bedürfnisse stillt.
In den Gemüsegärten des Südens sind Kürbisse prominent vertreten. Die großblättrigen Pflanzen ähneln denen der gewöhnlichen Gurke, allerdings sind die Früchte weit größer und vielgestaltiger. Kürbisse können birnenförmig, kugelrund, diskusförmig, länglich, ja sogar gerippt sein und dabei alle Farben des Regenbogens annehmen. Je fruchtbarer der Boden, desto größere Früchte entwickeln sich. Reife Kürbisse sind lange haltbar, sofern die Haut unbeschädigt ist. Das feste und häufig traviagefällig orangegefärbte Fruchtfleisch wird als Gemüse gekocht, gebraten, und gebacken. Besonders hartschalige Kürbisse werden ausgehöhlt, getrocknet und dann als leichte Wasserbehälter, Kalebassen genannt, genutzt. Darüber hinaus kommen auch in Südaventurien Bohnen, Erbsen, Kichererbsen, Kohl, Rüben, Lauch und Zwiebeln vor. Die Linse bevorzugt sandigen und lockeren Boden und benötigt weniger Wasser als ihr mittelländisches Gegenstück, die Erbse.
Knoblauch wird in Südaventurien intensiv angebaut, denn er ist ebenso schmackhaft wie gesund und hält Aberglauben zufolge Geister und Wiedergänger fern. Er bedarf keines aufwändig hergerichteten Bodens und erfordert nicht viel Arbeit, ehe er ab Mitte Travia geerntet und zum Trocknen in die Herbstsonne gelegt wird.
An der südlichen Perlenmeerküste wächst die Tomate üppig und wild. Inzwischen hat sie aber ganz Südaventurien erobert und wird in verschiedenen Formen angebaut.
Manche der sommergrünen Pflanzen bringen Rispen kirschgroßer Tomaten hervor, andere bis zu faustgroße. Empfindlich wie die frischen Früchte sind, werden sie kaum gehandelt, anders als in der spätsommerlichen Sonne getrocknete Tomaten, die sich gut transportieren lassen und lange haltbar sind.
Ölbäume, wie die Bäume heißen, die Oliven tragen, mögen Hitze und reagieren empfindlich auf Kälte. Die knorrigen, häufig krumm wachsenden Bäume tragen erst nach zehn Jahren Früchte und bringen erst mit 50 Jahren ihre volle Leistung.
Es ist in Südaventurien daher streng verboten, einen Ölbaum zu fällen, da er nicht einfach zu ersetzen ist. Frisch sind Oliven zu bitter, um gegessen zu werden, daher werden sie in Lake eingelegt, was sie milder macht. Vor allem wird aus ihnen aber Öl gepresst.
Zwölfgöttergläubigen gelten Weintrauben als die edelste Obstsorte Aventuriens. Die traditionellen Weinanbaugebiete liegen in Südaventurien, und aus den grüngelben oder purpurblauen Trauben wird vornehmlich Wein gekeltert. Ein Teil der Ernte wird aber zu Rosinen getrocknet, bisweilen sogar direkt am Weinstock. Sultaninen oder Goldrosinen kommen von den gelben, Zibeben und Purpurrosinen von den blauen Trauben. Wasserund Zuckermelonenpflanzen ähneln denen der Gurke und stellen ähnliche Ansprüche an Boden und Pflege. Ihr Fruchtfleisch ist süß und duftend. Die Vielfalt von Obstbäumen ist in Südaventurien groß.
Auch im Horasreich gibt es Bosparanienhaine, auf den Zyklopeninseln ebensolche für Feigen, und Dattelpalmen sind aus dem Land der Ersten Sonne nicht wegzudenken. Wie Mandelbäume, Tamarinden und Arangenbäume kommen sie aber im ganzen aventurischen Süden vor. Ihre Früchte bereichern den dortigen Speisezettel und werden bis in den Norden gehandelt. Pfirsichbäume sind vor allem in Weinbaugebieten häufig, was auch für den sehr ähnlichen Aprikosenbaum gilt. Die gelborangenen Früchte munden roh, wenngleich sie häufig faserig sind. Edler im Geschmack sind in Zucker eingemachte Früchte, die manche hohe Tafel zieren. Aprikosen können auch gut gedörrt werden. Die Aranier verstehen sich auf die Herstellung von Zuckergetrockneten Aprikosen, eine sehr begehrte und haltbare Delikatesse, die weit gehandelt wird.
Andere Nutzpflanzen Südaventuriens
In ganz Südaventurien häufig ist Färberlotos. Es ist schwierig, ihn zu kultivieren, doch einige Färberzünfte nehmen die tägliche Gefahr auf sich, mit den pollenschweren Blüten zu hantieren. Die den ganzen Sommer in blutroten Blütenähren blühende Leomarswacht wird bis zu vier Schritt hoch. Die Tulamiden nennen sie Henna-Strauch. Ihre pfeilförmigen Blätter „bluten“ bei Verletzungen rot und aus dem Saft wird Hannilsud gekocht, der getrocknet Stoffe in allen Orangetönen, Haare rot und Haut, sowie Nägel rostrot färbt. Auch Gelbkraut, Färberdistel und Hanf kommen im Süden vor.
Krapp (Scharlachwurzel) ist wärmeliebend und ihre anfänglich gelben Wurzeln verfärben sich beim Trocknen dunkelrot. Durch Auslaugen lässt sich daraus rotbrauner Farbstoff gewinnen, aus dem mithilfe verschiedener Öle und alchimistischer Mittel eine lichtechte und leuchtend rote Farbe hergestellt wird. Die Feze vieler Tulamiden zeigen sie, und das Zentrum der Krappfärbung ist Khunchom.
Dreifach gelappte Blätter und große, malvenartige Blüten von Weiß bis Purpur kennzeichnen den Baumwollstrauch. Aus den Blüten entstehen etwa anderthalb Finger durchmessende Kapseln, aus denen nach der Reife feine weiße Bäusche quellen, die von Hand gepflückt und zu Ballen gepresst werden. Da Baumwolle unregelmäßig reift, muss mehrmals geerntet werden.
Pfeifenkraut wird im Horasreich und in Aranien vor allem als Methumis-Tabak kultiviert. Er stammt vom milden Tabak der Eternen ab und ergibt ein helles Kraut mit leichter entspannender Wirkung, das häufig mit süßen Gewürzen gebeizt wird.
Seit über 3.000 Jahren wird in den Tulamidenlanden Tee angebaut – auch heute noch eine der traditionsreichsten und beliebtesten Nutzpflanzen Aventuriens. In höherer Lage an Berghängen wird er in terrassenförmig angelegten Feldern gezogen und dreimal im Jahr geerntet, denn je nach Erntezeitpunkt unterscheidet sich der Geschmack: Im Peraine gepflückter Frühlingstee schmeckt fein und blumig, Sommertee wird Anfang Rahja gelesen und zeichnet sich durch einen runden und stärkeren Geschmack aus. Kräftig und voll ist Herbsttee, der nach der Regenzeit im Travia gepflückt wird. Darüber hinaus gibt es verschiedene Teesorten, von denen Kaisertee als besonders edel und teuer gilt. Der überaus kompliziert zu erntende Mondsilberne Tee ist der kostbarste Tee überhaupt. Das gemeine Volk in den Tulamidenlanden jedoch trinkt Grünen Tee aus nur kurz getrockneten Blättern und mit herbem Geschmack. Darüber hinaus ist vornehmlich Schwarzer Tee (Borontee) gebräuchlich. Er besteht aus den kräftigen Blättern des Herbsttees, wird länger fermentiert als Grüner Tee, ist milder im Geschmack und jahrelang haltbar.